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Das Privileg Schwangerschaft

*Dieser Artikel wurde u.a. in vier Teilen bei der Blood Sugar Lounge veröffentlicht.

 

Die Krönung der Liebe

Vor meinem Diabetes mit Anfang zwanzig, hatte ich eine fast pathetische Vorstellung von einer Schwangerschaft. Ich verstand eine Schwangerschaft alleine als die Krönung der Liebe.

Alles, was ich von Schwangerschaften als Jungspund im Grunde mitbekam war, dass Frauen sich verliebt monatelang die Bäuche streichelten und dann zu (temporären) Hausfrauen und Muttertieren mutierten.

Natürlich war ich aufgeklärt, aber im Grunde wusste ich nur wie Kinder entstehen und wie man verhütet. Damals hatte ich noch keine Ahnung, dass es bei über 34 Prozent der kinderlosen Paare mit dem „Schwangerwerden“ nicht klappt und diese „Krönung der Liebe“ sich zu einer wahren Tortur und einem „Liebestöter“ entwickeln kann. (Quelle: Institut für Demoskopie Allensbach)

Die Ansprache

Wie wir wissen, können Komplikationen in Schwangerschaften auch mit dem Lebensalter der Mutter korrelieren. Dennoch sind die wenigsten unter uns im „biologisch-idealen Schwangerschafts-Alter“ von 20 bereit, Kinder zu bekommen.

Als ich mit 30 Jahren das „durchschnittliche, gebärfähige Alter“ durchbrach, wurde ich offen von meiner Diabetologin auf mögliche Schwangerschaftspläne angesprochen.

Das Gespräch mit meiner Diabetologin war sehr eindringlich. Meine Diabetologin rief mich zur Schwangerschaftsplanung auf. Mein HbA1c lag damals bei ~8mmol. Bei einer Schwangerschaft mit Diabetes, solle der HbA1c über mindestens ein Quartal hinweg stabil bei ~7mmol liegt.

Bereits während der aktiven Schwangerschaftsplanung würde meine Diabetologin beginnen eine Insulinpumpe und einen Glucose-Sensor für mich zu beantragen. Damit die Genehmigung sich nicht verzögere, solle ich im Vorfeld über mindestens drei Monate hinweg ordentlich Tagebuch führen.

Ich war damals ein ausgemachter Pumpengegner und von Glucose-Sensoren hatte ich überhaupt keine Ahnung. Die Vorstellung, über die Schwangerschaft und Stillzeit hinweg mit Kathetern etc. behaftet zu sein, machte mir Angst.

Ich hatte noch keine Ahnung wie dringend ich die Gerätschaften in meiner Schwangerschaft benötigen würde. Ich ahnte nicht, wie vielen Zuckerschwankungen ich während der Schwangerschaft tatsächlich von Beginn an ausgesetzt wäre und vor allem, wie exorbitant mein Insulinbedarf im Schwangerschaftsverlauf ansteigen sollte.

Außerdem sollte es mir unbeschreiblich viel Kummer bereiten, dass alle gesunden Menschen um mich herum – inklusive des Kindesvaters – mich als „Typ 1-Mutter“ für jede mögliche Komplikation verantwortlich machen würden.

Die „Katze im Sack“

Um Ostern 2014 herum – ich war mittlerweile 32 Jahre alt -, wurde ich von meinem Freund offensiv gefragt, wo sich unsere Beziehung hin entwickelt und ob ich mit meinem Diabetes gesunde Kinder bekommen könnte?

Es gab Zeiten, da hatte ich die klassische Wunschvorstellung von einem romantischen Heiratsantrag, bevor ich mit einer solchen Frage „liebestrunken“ konfrontiert werden würde. Stattdessen erklärte meine große Liebe mir, dass er unbedingt Kinder haben wollte, aber keinesfalls eine „Katze im Sack“ heiratet.

Jahrelang versteckte ich meinen Diabetes im Berufsleben und jetzt stieß ich auch noch privat auf Vorurteile. Mein Gefühlschaos und der Stich ins Herz waren unbeschreiblich.

Ich wollte auch Kinder, nur wann wusste ich damals eigentlich noch nicht. Nun verspürte ich den Druck zu beweisen, dass ich sehr wohl gesunde Kinder gebären kann wie jede andere Frau auch. Die Vorstellung jemanden, den ich liebe zu verlieren, nur weil ich Diabetes habe, versetzte mich in Panik.

Heute weiß ich wie irrsinnig das alles klingt. Doch manchmal ist man so in seiner Gefühlswelt gefangen, dass man es nicht schafft, über den „Tellerrand“ hinaus zu schauen.

 

Die Vorbereitungen

Ich machte sofort einen Termin bei meiner Diabetologin aus und diese unterzog mich erstmal verschiedenen Tests, die Diabetikerinnen vor Schwangerschaftsbeginn machen sollten. Dabei wurden meine Nieren und meine Netzhaut auf bereits bestehende Folgeschäden untersucht. Auch die Schilddrüse wurde auf eine mögliche Über- oder Unterfunktion getestet.

Scheinbar können sich diese Folgekrankheiten – genauso wie Bluthochdruck – in der Schwangerschaft noch verschlechtern. Solche Problematiken können Fehl- und Frühgeburten verursachen, weshalb zuckerkranke Frauen hier besonders gut aufpassen müssen.

Wie viele andere Frauen, die schwanger werden wollen, begann ich vorab mit der Einnahme von Tabletten mit Folsäure und Jod. Eine gute Versorgung mit Folsäure bis zum Abschluss des dritten Schwangerschaftsmonats soll das Risiko für einen “offenen Rücken“ beim Kind reduzieren.

Am schwersten fiel es mir, mein Blutzuckertagebuch rückwirkend auf drei Monate bei der Krankenkasse einzureichen, um die Insulinpumpe und den Glucose-Sensor zu beantragen.

Ich sollte später mit Schwangerschaftsbeginn innerhalb drei Tagen nach „Kundtuung“ alle Gerätschaften von den entsprechenden Außendienstmitarbeitern ausgehändigt bekommen.

Meine Diabetologin leitete das damals alles für mich mit Nachdruck in die Wege. Obwohl ich nie dauerhaft schlechte Werte hatte, war ich von Beginn an tief beeindruckt, wie stark die Blutzuckerwerte sich durch die Pumpe verbessern ließen. Bis heute frage ich mich, warum das nicht einfach jedem Diabetiker angeboten wird.

 

 

Die Pumpen- und Sensorgewöhnung

Als ich zum ersten Mal die Pumpe angelegt und erklärt bekam, fühlte ich mich wirklich wie ein „Avatar“: Ständig ab- und ankoppeln.

Schwimmen oder Sex mit einem „Kabelschwänzchen“ im Bauch fand ich zu Beginn am aller schlimmsten. Ich brauchte einige Zeit, mich mit der „Sichtbarkeit meiner Behinderung“ vertraut zu machen. Noch hatte ich kein Selbstbewusstsein und war sehr unerfahren in der Anbringung meiner Pumpe. Sobald ich es „draufhatte“, suchte ich bessere Stechstellen. Stellen, die interessant wirken oder sich gut verstecken lassen.

Darauf bezogen hatte ich erst in meiner zweiten Schwangerschaft 2017/18 die einschlagende Idee, mich von anderen Typ 1-Diabetikern im Netz – auf Diabetes-Blogs und auf Instagram – inspirieren zu lassen und mich auszutauschen. Das hätte mir in der ersten Schwangerschaft sehr geholfen, wo alles neu für mich war.

Obwohl der Katheter im Bauch das Ungeborene überhaupt gar nicht beeinträchtigt, so fand ich es immer schöner, den Katheter am Hintern oder knapp unterhalb der Taille zu platzieren, wenn ich vorhatte schwimmen zu gehen.

Meinen DEXCOM G5 Sensor steche ich mir bis heute gerne in den Oberschenkel oder Oberarm. Der Pumpenanschluss und der Sensor sollen sowieso gut auseinander liegen. Ich persönlich finde es visuell zudem ansprechender, wenn man aufgrund zweier „Katheter“ nicht sofort aussieht wie ein „Schwerverletzter“.

Der Hersteller warnt davor, dass die Gewebezuckerwerte durch andere „Platzierungen“ am Körper stark zu den kapillaren Zuckerwerten divergieren können. Nach häufigem Probieren, konnte ich zumindest bei mir davon ausgehen, dass die Werte weitestgehend gleich bleiben.

Was mich jedoch einige Male stark in den Unterzucker trieb, waren falsche Messungen und Warnungen des Sensors. Zu Anfang irritierten mich besonders die lauten, wiederkehrenden Alarmierungen für den Überzucker nach dem Essen. Natürlich wusste ich, dass ich gespritzt hatte. Allerdings dachte ich immer nun mehr Insulin zu benötigen und spritzte mich ungewollt in den Unterzucker.

Ferner gab es unzählige Male, zu denen mein Sensor einen Wert von ~300mg/dl anzeigte. Da ich mir diesen Überzucker durch meine Handlungen zuvor nicht erklären konnte, maß ich kapillar nach und hatte mehrfach einen Normalwert, der mich davor bewahrte, erneut in den Unterzuckerwahn zu fallen.

Nachdem ich mich an die Handhabung der Gerätschaften gewöhnt hatte, funktionierte die Blutzuckereinstellung sehr gut – zumindest bis zur Mitte des 5. Schwangerschaftsmonats.

 

 

Schwangerschaftshypo- und Hyperglykämien

Das Streben nach optimalen Blutzuckerwerten erhöhte leider auch mein Risiko für Unterzuckerungen.

Meine Diabetologin sensibilisierte mich für das Thema Hypoglykämien in der Planungsphase meiner Schwangerschaft. Sie erklärte, dass in der Frühschwangerschaft schwere Hypoglykämien wesentlich häufiger auftreten als vor der Schwangerschaft und ich darauf jederzeit gewappnet sein sollte.

Guter Tipp! Aufgrund dessen hatte ich mehr Zucker-Utensilien gebunkert als sonst. Es war August 2014 als ich begann alle meine Zucker-Vorräte zu futtern. In weiser Vorahnung machte ich am 25. August 2014 schließlich meinen ersten positiven Schwangerschaftstest.

 

 

Eine komplikationsfreie Schwangerschaft ist ein Privileg

Wie alle zuckerkranken Frauen, zählte auch ich von Beginn an zu einer Hochrisikogruppe. Das wurde überall, bei jedem Arzt, im Krankenhaus meiner Wahl fett auf alle Akten geschrieben.

Es beschämte mich teilweise, wenn ich mit meiner Akte irgendwo saß und andere Patienten auf meine rote „RISIKO-Headline“ starrten. Einige Male wurde ich von anderen, werdenden Müttern angesprochen und es war unglaublich, mit wie vielen Schwierigkeiten auch vermeintlich gesunde Frauen umgehen mussten.

Darunter waren negative Trisomie-Tests, Muttermund- und Gebärmutterschwächen, Bluter, Schilddrüsenprobleme, vorausgegangene Fehlgeburten, überraschende Lebererkrankungen und vieles mehr.

Neben gesundheitlichen Defiziten klappte es zudem bei ganz vielen nicht auf natürlichen Weg mit dem Schwanger werden. Hier wurde mit Hormonspritzen gearbeitet und die psychische Belastung war riesengroß.

In Summe betrachtet hatten alle werdenden Mütter ihre Geschichten und schlussendlich hatte ich das Gefühl, mich mit meinem Diabetes einreihen zu können und nicht hervorzustechen.

Mir wurde klar: Eine komplikationsfreie Schwangerschaft ist ein Privileg!

 

Arbeitsreduktion bis zum Berufsverbot

Es gibt wirklich viele physische sowie viele psychische Herausforderungen beim Abenteuer „Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1“. Pro-aktiv über eine Arbeitsreduktion oder gar ein Berufsverbot zu sprechen, wagen meiner Erfahrung nach dennoch wenige.

Ich hatte damals in meiner ersten Schwangerschaft das Gefühl, es wäre verpönt zu „schwächeln“ und den Arbeitgeber aufgrund einer anstrengenden Schwangerschaft um eine Arbeitsreduktion zu bitten. Entsprechend erhielt ich mit Schwangerschaftserkennung damals zusätzlich die Ansage von meinem Frauenarzt, dass „schwanger sein“ keine Krankheit sei!

Ich wollte es wirklich jedem beweisen, dass ich mich – bis auf den Diabetes – bester Gesundheit erfreue und ohne Abstriche so fit wäre wie alle „nicht-schwangeren“. Ich arbeitete Vollzeit mit bis zu drei Geschäftsreisen pro Monat bis Beginn des Mutterschutzes durch.

Mitte / Ende des 5. Monats stieg mein Insulinbedarf plötzlich auf über 170% an. Stetig benötigte ich mehr Insulin für meine verspeisten Kohlenhydrate. Bemerken konnte ich diesen steigenden Bedarf nur an dem alarmierenden Sensor, der mich unentwegt auf Überzucker hinwies – Tag und Nacht.

Nachdem ich im 7. Monat voller Erschöpfung kurz auf einer Geschäftsreise in Amsterdam einen Auffahrunfall hatte, weigerte ich mich (immerhin) weiterhin auswärtige Termine wahrzunehmen.

Endlich im Mutterschutz angekommen, konnte ich die Beine dann aber auch nicht hochlegen. Von Anträgen abgesehen gab es noch so viele Vorbereitungen zu treffen und Anschaffungen zu tätigen. Der „Nestbau“ breitete sich in vollen Zügen aus und parallel kämpfte ich gegen Unter- und Überzuckerungskurven und war im Grunde nur noch am Korrigieren. Zum Schwangerschaftsende hatte ich schließlich einen Insulinbedarf von „sage und schreibe“ 270%!!!

Rückblickend war ich „schön blöd“ mich so aufzuarbeiten!

In der zweiten Schwangerschaft 2017/18 sprach ich meinen Frauenarzt sofort pro-aktiv an, sobald ich bemerkte, dass der Insulinbedarf wieder zu steigen begann. Ich holte mir damit um den 6. Monat direkt eine ärztliche Anweisung zur Arbeitsreduktion. Diese half mir runter zu kommen, wenn die Nächte durch ständiges Korrigieren kurz waren und die Erschöpfung sich breit machte. Darüber hinaus ermöglichte mir die reduzierte Arbeitszeit viele Erledigungen bereits frühzeitig zu treffen, ohne am Schwangerschaftsende in unnötigen Stress zu geraten. Bereits zwei Monate vor Mutterschutzbeginn – als ich die 200% meines Insulinbedarfs durchbrach – ließ ich mich komplett „aus dem Verkehr ziehen“.

Die Entscheidung bei der zweiten Schwangerschaft frühzeitig die Notbremse zu ziehen und dem steigenden Insulinbedarf mit Achtsamkeit entgegen zu wirken, hat meinem Kind und mir sehr geholfen.

 

 

Die Geburt

Ich liebe die Geschichten von Frauen, die einen überraschenden Blasensprung erlebten. Die steigende Aufregung der bevorstehenden Entbindung. Vielleicht auch das Telefonat mit dem Partner, indem man sagen kann „Es geht los! Mach dich auf den Weg.“

Auch, wenn jeder Angst vor den Schmerzen hat, so gab es Momente, in denen ich mich gesehnt habe, auch EINMAL Wehen spüren zu dürfen. Das „echte“ Entbinden und Gebären habe ich lange idealisiert und fühlte mich sogar wertlos als feststand, dass beide Kinder per Kaiserschnitt das Licht der Welt erblicken würden.

Ich bin gläubig und fühle mich bis heute manchmal komisch bei dem Gedanken, dass die Geburtsstunde nicht von Gott gegeben, sondern von Ärzten entschieden wurde.

Bis zum Ende der Schwangerschaft hatte ich mir sehnlichst eine Spontangeburt gewünscht. Bei beiden Kindern allerdings kam es zu Makrosomien. Meine erste Tochter wog über 4,4kg und die zweite sogar über 5kg. Beide waren knapp 60cm lang. Nur mit einem Kaiserschnitt konnten wir der Gefahr, dass die Kinder noch größer und schwerer werden würden, entgegenwirken.

Von meiner Diabetologin wusste ich, dass neugeborene Babys von Diabetikerinnen häufig mit Hypoglykämien kämpfen, weil sie aus dem Mutterleib gewöhnt sind, höhere Dosen Insulin auszuschütten, um das Essen der Mutter zu verarbeiten. Nach der Geburt produziert die Bauchspeicheldrüse des Babys quasi viel mehr Insulin als es selbst benötigt und stürzt in den Unterzucker.

Aus diesem Grund war es mir sehr wichtig in einem Krankenhaus mit einer angeschlossenen Kinderklinik zu entbinden. Falls die Kinder starken Unterzucker nach der Geburt erleiden würden oder andere Defizite hätten, würde man ihnen hier am schnellsten helfen können, dachte ich. Es verlief aber alles glimpflich. Meine Kinder hatten 1-2 niedrige Blutzuckerwerte und waren danach komplett stabil.

Auf Empfehlung meiner Diabetologin ließ ich übrigens die Pumpe während des Kaiserschnitts und auch danach auf der Ursprungs-Basalrate von 100% angeschlossen.

Im Endeffekt war es so, dass jeder im Krankenhaus an meine Kinder dachte, sie untersuchte, pflegte und hegte – nur mich vergaßen alle. Obwohl auf allen Akten und sogar auf meinem Krankenhausschild „TYP 1“ und „HOCH-RISIKO“ stand, gab es keinen Arzt oder Krankenpfleger, der sich mal nach mir und meinen Zucker erkundigte.

Glücklicherweise bin ich schon gewohnt auf mich selbst aufzupassen. Mit 4 Litern Saft, 3 Paketen Traubenzucker und 10 Bananen rückte ich am Tag der Entbindung an und füllte mein Schränkchen.

Innerhalb 24 Stunden nach Entbindung hatte ich schon 11kg verloren. Ich tastete mich sehr vorsichtig an meinen neuen Insulinbedarf heran und spritzte zunächst kaum. Das Ende vom Lied: Meine Zucker-Vorräte waren nach 4 Tagen ALLE komplett aufgebraucht!!!

Im Krankenhaus hatte ich häufig das Gefühl, dass ich weitaus mehr über Diabetes wusste als die Allgemeinmediziner selbst. Was mir während der Schwangerschaft, aber sogar im Krankenhaus entsprechend am meisten half, war die Handynummer meiner Diabetologin. Ich blieb mit ihr immer im Austausch – meistens per „WhatsApp“. Das beruhigte mich und rundete meine Handlungen ab.

 

Freder1k und Fr1da

Ich kann gar nicht zählen wie oft ich von Außenstehenden – aber auch von meinem Partner – gefragt wurde, wie hoch das Weitervererbungsrisiko von Typ 1 ist.

Viele Studien sowie von Prof. Hellmut Mehnert, der regelmäßig für die „www.aerztezeitung.de“ schreibt, gehen davon aus, dass Typ-1-Diabetes mit einer Wahrscheinlichkeit von 3-5% von einem Elternteil auf ein Kind vererbt wird. Kinder eines „Typ 1 – Vaters“ sollen sogar ein Weitervererbungsrisiko von 2-4% bis zum 18. Lebensjahr haben und im weiteren Leben von 4-8%, um eines Tages an Typ 1-Diabetes zu erkranken. Sind beide Eltern an Typ-1-Diabetes erkrankt, so würde das Risiko auf 10-25% ansteigen.

Wie immer im Leben kann man das bekannte „Wasserglas“ nun halb-voll oder halb-leer betrachten. Ich habe die Studienergebnisse immer anders zum Ausdruck gebracht und erklärt, dass meine Kinder mit einer 95%igen Wahrscheinlichkeit gesund auf die Welt kommen werden!

Damit meine Kinder zum einen der Forschung gegen „Typ 1“ helfen können, aber überdies ein Diabetes früh erkannt werden kann, habe ich beide Male bei Typ 1-Studien teilgenommen. Diese hießen in meinem Fall „Freder1k“ und „Fr1da“.

Diabetes ist die häufigste Autoimmunerkrankung bei Kindern. Die Studien helfen mit verschiedenen Bluttests bei Neugeborenen das Erkrankungsrisiko zu ermitteln. Es sind quasi „Früherkennungsstudien“, die zusätzlich zur Diabetes-Prävention beitragen sollen.

In der Regel liegen in allen Krankenhäusern und Arztpraxen Flyer dazu aus. Wenn nicht, empfehle ich bei Interesse nachzufragen.

In meinem Fall haben meine beiden Kinder -trotz Makrosomie- bisher keine Anzeichen für einen Typ 1-Diabetes gezeigt. Das beruhigt mich zwar, dennoch lasse ich das bei jedem Arztbesuch checken und beobachte genau, ob sie Auffälligkeiten haben (vermehrter Durst, Schlappheit, Sehstörungen etc.).

 

 

Stillen

Jeder weiß, wie gesund das Stillen ist. Diabetikerinnen wird das Stillen über einen längeren Zeitraum sogar ausdrücklich empfohlen. Das Stillen fördere die Entwicklung der kindlichen Immunabwehr und verringere die Wahrscheinlichkeit einer späteren Diabetes-Erkrankung, wird immer gesagt.

Bei meinem ersten Kind habe ich mich aufgrund der „versprochenen“, positiven Effekte des Stillens monatelang gequält. Das Stillen bereitete mir massive Schmerzen. Die Brustwarze war so strapaziert, dass sie bereits im ersten Monat einriss und gelasert werden musste. Meine Brust war wund. Ich salbte und cremte, ließ „luft-trocknen“, doch meine Tochter trank viel – auch zur Beruhigung und zum Einschlafen – und eine „Brust-Schonung“ schien unmöglich. Mir liefen die Tränen in Strömen über die Wangen und es gab viele Momente in denen ich deshalb meinen Diabetes verfluchte.

Ein viertel Jahr später hatte ich mich plötzlich daran gewohnt. Der Schmerz verflog und ich konnte schmerzfrei und voller Hingabe stillen. Ich bin froh, dass ich dafür gekämpft habe.

Bei meiner zweiten Tochter schmerzte das Stillen auch, aber viel kürzer und weniger massiv. Ich wusste von Beginn an, dass der Schmerz endlich war und stellte mich kühn der Herausforderung. Wenn es mal „gar nicht ging“, griff ich beherzt zur Flasche. Dieses Mal nahm ich es lockerer und hatte auch mir gegenüber mehr Erbarmen.

Für die Mutter hat das Stillen übrigens den Vorteil, dass man währenddessen einen niedrigen Östrogenspiegel hat, der sich günstig auf den Glukose- und Fettstoffwechsel auswirkt. Hierdurch sinkt der Insulinbedarf. Das genieße ich derzeit immer noch, denn mein Kind ist erst 9 Monate und bekommt neben dem Brei immer noch die Brust.

 

 

Fazit

Noch vor knapp 40 Jahren wurde Typ 1-Diabetikerinnen abgeraten schwanger zu werden und Kinder zu gebären. Ein stabiler Blutzucker konnte noch nicht anständig kontrolliert oder dauerhaft stabil eingestellt werden.

Zweifellos waren die Insuline noch nicht so weit entwickelt wie heute. Langzeit-Insuline gab es noch gar nicht, weder Insulin-Pens oder Insulinpumpen. Darüber hinaus waren keinerlei Prüparate auf Schwangerschaften getestet und die vermuteten Risiken wissenschaftlich bewiesen und belegt.

Sensoren, die den Blutzucker dauerhaft messen können. Mess-Sensoren wie der heutige „Freestyle Libre“ oder Sensor von Dexcom waren noch absolute Zukunftsmusik.

Als diabetische Frau war man bei Schwangerschaften schließlich sehr großen Risiken ausgesetzt, ohne dass die Ärzte damals viel hätten für sie tun können.

Glücklicherweise können wir Diabetikerinnen Typ 1 heute genauso leicht und gesund schwanger werden wie alle anderen, gesunden Frauen auch. Das sollten wir feiern!

Über den wandelnden Insulinbedarf während der Schwangerschaft von Typ 1-Diabetikerinnen, gibt es bis heute kaum Literatur. Meine Diabetologin erklärte mir, dass das unter anderem daran liegt, dass der Blutzuckeranstieg und erhöhte Insulinbedarf auch ein stückweit mit dem Voranschreiten der Schwangerschaft und dem Wachstum des Babys zusammenhängen. Es gäbe einfach noch zu wenig Forschungen in diesem Bereich, schloss sie ab.

Da ich nun bereits zwei Schwangerschaften hinter mir habe, fasse ich meine wichtigsten Erfahrungen kurz zusammen:

  1. Der Hba 1 C sollte vor Empfängnis bei 6 und 7 mmol haben.
  2. Bei Schwangerschaftsplänen sollten wir Folsäure und Jod
  3. Der Diabetologe unterstützt bei der Beantragung von Pumpen und Sensoren. Hierfür sollten wir über drei Monate lang ein Blutzuckertagebuch führen und bei der Krankenkasse einreichen. Umso früher man die Gerätschaften erhält, desto besser lässt sich der Blutzucker einstellen.
  4. In der Frühschwangerschaft erleiden wir Diabetikerinnen häufig Unterzuckerungen! Darauf sollten wir gewappnet sein.
  5. Während der Schwangerschaft steigt der Insulinbedarf stark an – meist geht es richtig los ab der „Schwangerschaftsmitte“, wenn auch das Kind anfängt ordentlich zu wachsen. Ich empfand eine ausgewogene Diätküche mit reduzierten Kohlenhydraten hilfreich!
  6. INSULIN IST EIN ANABOLIKUM. Umso mehr Insulin wir aufnehmen, desto eher nehmen wir zu und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass das Kind makrosom wird (sehr groß und schwer)! Mit einer Makrosomie steigt dann auch das Diabetesrisiko der Kinder.
  7. Es ist keine Schande seine als schwangere Typ 1-Diabetikerin seine Arbeitszeiten reduzieren.
  8. Eine Pränatal-Schallung kann Diabetikerinnen kostenlos angeboten werden. Das hilft alle Risiken der Fehlbildungen nachhaltig abklären zu lassen (außerdem gibt es sensationelle Ultraschallbilder).
  9. Ich befürworte für die Entbindung Krankenhäuser mit einer angeschlossenen Kinderklinik.
  10. Nach der Entbindung haben wir einen schnellen Gewichtsverlust und der Insulinbedarf sinkt umgehend. Die Gefahr von Hypoglykämien ist unmittelbar gegeben. Wir müssen damit rechnen, dass sich die Krankenhausmitarbeiter nicht mit Diabetes auskennen und wir un sim Notfall selbst helfen müssen.

 

„Es ist ein Wunder“, sagt das Herz.

„Es ist eine große Verantwortung“, sagt der Verstand.

„Es ist viel Sorge“, sagt die Angst.

„Es ist eine enorme Herausforderung“, sagt die Erfahrung.

„Es ist das größte Glück“, sagt die Liebe.

„Es ist unser Kind, unser ein und alles, Lebensinhalt und Inspiration“, sage ich 😊