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In über 14 Jahren, die ich Diabetes habe, sind mir schon viele Klischees über Diabetes begegnet. Nachfolgend zähle ich mal die gängisten auf und bemühe mich im Nachgang um Aufklärung dieser Klischees.

Gängige Klischees sind zum Beispiel…

  • Nur chronisch übergewichtige Menschen bekommen Diabetes.
  • Wenn ein Diabetiker seine Ernährung ändert und abnimmt, ist er wieder gesund.
  • Diabetiker dürfen keine Süßigkeiten essen.
  • Die meisten Diabetiker sind alt.
  • Diabetes wird vererbt.
  • Diabetiker können keine gesunden Kinder kriegen.
  • Alle Diabetiker müssen spritzen.
  • Diabetiker leben kürzer.
  • Diabetiker brauchen Insulin, wenn sie unterzuckert sind.

 

„Klischees sind vorgeprägte Wendungen, abgegriffene und durch allzu häufigen Gebrauch verschlissene Bilder und Denkschemata, die ohne indivduelle Überzeugung einfach unbedacht übernommen werden.“ (Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 1970.)

 

Keine dieser Aussagen ist allgemeingültig und trifft auf alle diabetischen Typen zu.

Das einzige, was alle Diabetes mellitus – Typen gemeinsam haben ist eine Stoffwechselstörung, deren Leitbefund eine Überzuckerung des Blutes (Hyperglykämie) ist.

 

Die nachfolgende Übersicht wird die verschiedenen Diabetes-Typen in ihren wesentlichen Eigenschaften und Ursachen unterscheiden:

 

Diabetes mellitus Typ 1: Der „Jugenddiabetes“

 

  • Geringe genetische Vererbbarkeit.
  • In der Regel normalgewichtige oder (bei starkem Insulinmangel) untergewichtige Menschen
  • Typ 1 Diabetes entsteht über eine genetische Prädisposition, durch die eine organische Autoimmun-erkrankung hervorgerufen wird, bei der die Bauchspreicheldrüse aufhört zu arbeiten (Zerstörung der Beta-Zellen).
  • Die eigene Insulinproduktion wird nach der sogenannten „Honeymoon Phase“1 komplett eingestellt. (Absoluter Insulinmangel)
  • Der Diabetiker muss die Nahrungsaufnahme und Verstoffwechselung lebenslang mit Spritzen regulieren.
  • Eine Prävention der Erkrankung ist bislang nicht möglich.
  • Die meisten Diabetiker Typ 1 erkranken in ihrer Kindheit, Jugend oder im frühen Erwachsenenalter bis maximal 30 Jahren.

 

 

Diabetes mellitus Typ 2: Der „Altersdiabetes“

 

  • Hohe genetische Vererbbarkeit.
  • Die meisten Typ 2 Diabetiker sind älter als 40 Jahre alt. Erst seit auch Kinder stark und krankhaft übergewichtig sind, können auch hier Formen des Typ 2 Diabetes entstehen.
  • Übergewicht oder Veranlagung zu einer sogenannten Insulinresistenz2 führt dazu, dass zwar noch eigenes Insulin im Körper vorhanden ist, dieses aber nicht mehr richtig wirken kann. (Relativer Insulinmangel)
  • Diese Patienten können ihren Diabetes daSierch behandeln, dass sie sich mehr bewegen, sich anders ernähren und ein bisschen abnehmen.
  • Die Mehrheit aller Typ 2-Diabetiker wird mit Tabletten behandelt.

 

 

Diabetes mellitus Typ 3: Der „versteckte“ Diabetes (Mischform)

 

  • Nicht immer eindeutig erkennbar.
  • Ursachen können sein:
    • Genetischer Defekt
    • Erkrankung der Bauchspreicheldrüse
    • Hormonelle Störungen
    • Stoffwechselerkrankungen
    • Verschleppte Infektionen wie Röteln usw.
  • Beschwerden und Behandlung wird vom Grad des Insulinmangels bestimmt.
  • Ein reversibler Krankheitsverlauf ist – anders als im Vgl zu Typ 1 – möglich.
  • Oftmals leidet Typ 3 unter einem besonderen Enzymmangel, der die Verwertung von Nährstoffen erschwert.

 

 

Diabetes mellitus Typ 4: Schwangerschaftdiabetes (Gestationsdiabetes)

 

  • Durchschnittlich erkranken 12% aller Schwangeren am sogenannten „Gestationsdiabetes“.
    • Ursachen:
    • Übergewicht
    • Veranlagung
    • Vorausgegangene Fehlgeburten
    • Geburtsgewicht über 4kg
  • Die Behandlung enthält maßgeblich eine strikte, diätische Ernährung und je nach Schwerengrad ergänzende Medikamente.
  • Der Schwangerschaftsdiabetes verschwindet meist nach Entbindung wieder.

 

 

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass weder Typ 1 noch Typ 3 aufgrund von Gewichtsproblemen an Diabetes erkranken, sie können die Krankheit nicht vorbeugen, weder die diese über eine Ernährungsumstellung wieder los werden.

Diabetes mellitius Typ 2 und 4

Bei Diabetes mellitus Typ 2 und 4 hingegen können ein erhöhter BMI sowie eine diabetische Erbanlage Grund der Erkrankung darstellen. Damit können Typ 2 und 4 einen Diabetes bereits präventiv mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährung versuchen vorzubeugen.

 

Bezugnehmend auf die anderen Klischees können alle Diabetiker ganz normal essen – auch Süßigkeiten. Diese sollten sie jedoch in Maßen konsumieren und ihre Medikamentierung (Insulindosierung) entsprechend darauf anpassen. Eine gute Blutzuckereinstellung ermöglicht ferner auch eine normale Fruchtbarkeit, die Empfängnis gesunder Kinder und eine normale Lebenserwartung.

 

Abschließend ist es natürlich verkehrt, dass ein Diabetiker bei einer Unterzuckerung Insulin benötigt. Eine sogenannte Hyperglykämie (Überzuckerung) und Hypoglykämie (Unterzuckerung) wird in der Gesellschaft häufig verwechselt (auch von Hollywood).

 

Es gilt folgende Regel: Bei zu viel Zucker im Blut, benötigt der Körper Insulin, um den Zucker Sierch die Zellen zu schleusen und abzubauen. Hier muss Insulin dem Körper zugeführt werden.

Anders verhält es sich bei zu wenig Zucker im Blut (erleben auch gesunde Menschen ab und zu) –

hier muss der Betroffene „schnellwirkende Kohlenhydrate“1 zu sich nehmen, um den Blutzucker wieder zu regulieren und eine Ohnmacht oder Koma zu vermeiden.

 

Wenn Ihr noch weitere Klischees kennt oder Euch besondere Situationen in diesem Bezug begegnet sind, freue ich mich im Nachgang auf Eure Kommentare und Euer Feedback.

Viele Grüße

Eure Vivi

 

1Honeymoon Phase: Eine zeitweise Remission von Krankheitssymptomen kurz nach Beginn der Insulintherapie des Typ-1-Diabetes.

2
Insulinresistenz: Der Körper kann kein Insulin mehr aufnehmen, um den Zucker zu verstoffwechseln und abzubauen. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel.

3Schnellwirkende Kohlenhydrate gehen schnell ins Blut, weil sie weniger ballaststoffreich sind, z. B. Traubenzucker oder Fruchtsaft.